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Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Betriebsärzte und Fachkräfte für
Arbeitssicherheit“ (DGUV Vorschrift 2) der BGN nicht ausgereift.

Die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (DGUV Vorschrift 2) der BGN, auf welche nachfolgend Bezug genommen wird, ist nicht ausgereift und in ihrer Systematik zum Teil nicht logisch.

§ 2 der DGUV Vorschrift 2 sieht vier unterschiedliche Betreuungsmodelle vor. Diese sehen wie folgt aus:

Es ist bisher nicht klar, ob die alternativen Betreuungsmodelle gleichwertig neben die Betreuung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit treten sollen. Es liegt auf der Hand, dass das Niveau an Arbeitsschutz und Unfallverhütung bei einer Unterstützung durch Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ungleich höher ist, als wenn die Beurteilung der Notwendigkeit und des Ausmaßes einer externen Betreuung in die Beurteilung des Unternehmers – wenn auch erst nach Abschluss von Motivations- und Informationsmaßnahmen – gestellt wird.

Da der finanzielle Aufwand für den Unternehmer größer ist, wenn er sich von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit unterstützen lässt, wird er – und sei es unbewusst – dazu tendieren, das alternative Betreuungsmodell zu wählen.

So soll der Unternehmer in Betrieben mit mehr als 10 bis zu 50 Beschäftigten, wenn er die Alternativbetreuung gemäß Anlage 3 zur DGUV Vorschrift 2 wählt, nach der Durchführung von Motivations- und Informationsmaßnahmen in einem Umfang von zwei Wochen in der Lage sein, zu beurteilen, ob eine externe Betreuung notwendig ist und, welches Ausmaß an externer Betreuung erforderlich ist. Demgegenüber entspricht es der Intention des ASIG, dass der Unternehmer von Betriebsärzten, also von Medizinern, welche eine Ausbildungszeit von ca. 11 Jahren zu absolvieren haben, sowie von Fachkräften für Arbeitssicherheit, welche ebenfalls eine mehrjährige Ausbildung zu absolvieren haben, unterstützt wird.

Die alternativen Betreuungsmodelle können sonach der Regelbetreuung nicht gleichwertig sein; sie müssen damit zwangsläufig dazu führen, dass das ASIG sein Ziel verfehlen wird.

Es ist nicht verständlich, dass der Arbeitsschutz und die Unfallverhütung in Betrieben mit derartig unterschiedlichen – in ihrem Qualitätsniveau nicht ansatzweise gleichwertigen – Modellen geregelt werden sollen.

Nicht die Gefährdungslage des Betriebes, sondern die Entscheidung des Unternehmers, welches Modell er einsetzt, wird über das Niveau an Arbeitsschutz und Unfallverhütung in einem Betrieb entscheiden. Der Umfang des Einsatzes von Expertenwissen und entsprechend der finanzielle Aufwand sollten sich an der potentiellen Gefährdungslage hinsichtlich Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit orientieren. Es muss verhindert werden, dass finanzielle Interessen eines Unternehmers Einfluss auf das Niveau des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung in einem Betrieb erlangen.

Die alternativen Betreuungsmodelle erfüllen die Ziele des ASIG und des SGB VII nicht (z. B. ist die Qualifikation des Unternehmers im Erkennen der Gefährdung mit derjenigen von Arbeitsmedizinern und Sicherheitsfachkräften gleich gesetzt).

Die beiden alternativen Betreuungsmodelle gem. § 2 Abs. 4 DGUV Vorschrift 2 schaffen letztlich eine Scheinbetreuung.

Die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen können im „Modell mehr als 10 Beschäftigte“ nicht über die Grundbetreuungen laufen, da arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen im Unternehmermodell nicht vorgesehen sind. Im Alternativmodell 1-10 ist dies aber gefordert.

Im Übrigen zeigt sich auch das ungeklärte Verhältnis der Regelbetreuung zu der Alternativbetreuung an anderer Stelle. Gemäß Anlage 1 muss bei der Grundbetreuung der Sachverstand von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit einbezogen werden. Dieser Sachverstand ist jedoch bei der Alternativbetreuung nicht zwingend hinzuzuziehen, wenn der Unternehmer, der entsprechende Motivations- und Informationsmaßnahmen absolviert hat, sie nicht für erforderlich erachtet. Bei mehr als 10 bis 50 Beschäftigten gilt entsprechendes.

Letztlich ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb die DGUV Vorschrift 2 zwischen Betrieben mit bis zu 10 Beschäftigten und Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten differenziert. Entscheidend für Art und Umfang der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung dürfen nur die im Betrieb vorliegenden Gefährdungen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten sein. Art und Umfang der Gefährdungen hängen aber nicht zwingend von der Anzahl der Beschäftigten ab.

Unbestimmt und klärungsbedürftig ist, wann von einer Nichterfüllung seiner Verpflichtungen im Rahmen der alternativen bedarfsorientierten Betreuungsform durch den Unternehmer gemäß Anlagen 3 und 4 zur DGUV Vorschrift 2, jeweils Ziff. 4., auszugehen ist, mit der Folge, dass der Unternehmer mit seinem Betrieb der Regelbetreuung unterliegt.

Es wird einer Aufsichtsperson bzw. Gewerbeaufsicht nicht schwer fallen, einem Unternehmer formale oder inhaltliche Defizite nachzuweisen und ihn in die Regelbetreuung zu überführen. Dieser Unternehmer hat dann den finanziellen Aufwand sowie den Zeitaufwand hinsichtlich der Motivations-, Informations- und Fortbildungsmaßnahmen vergeblich erbracht.

Bei der Orientierung der DGUV V2 an der Gefährdung müssten auch viele Betriebe der früheren Fleischerei-BG in niedrigere Gefährdungsgruppen eingeordnet werden.

Die Berechnung der „Beschäftigtenzahlen“ aufgrund von jährlichen Durchschnittszahlen kann zu einem nicht kontrollierten Wandern zwischen den Gruppen „1 bis 10“ und mehr als „10 bis 50“ Beschäftigten führen.

Forderung:
Satzung, UVV, Betreuung nach ASIG und Vorgehen der Berufsgenossenschaften müssen an die Vorgaben des SGB VII, ASIG und Arbeitsschutzgesetzes angepasst werden. Um die eigenen Vorgaben des DGUV V2 erfüllen zu können, müssen innerhalb der Berufsgenossenschaften, die Millionen von Versicherten haben und für hunderttausende von Betrieben zuständig sind, die EDV-technischen Voraussetzungen zur Überwachung und Beratung vorhanden sein. Weiterhin müssen die Haftungsfragen, die sich für den Unternehmer stellen, geprüft werden, wenn das „Erkennen der Gefährdung“ misslingt und der Versicherte gesundheitliche Konsequenzen zu tragen hat.

Dr. Karl von Lutterotti
Fachanwalt für Arbeitsrecht
22.11.2011